Wissen Sie, was Sie erwartet!

Ein gutes Anforderungsmanagement ist die Basis jedes Projektmanagements und der Produktentwicklung. Nichts ist frustrierender, als viel Zeit und Geld in ein Produkt zu investieren, was am Ende die Kundenbedürfnisse oder die Zulassung nicht vollständig erfüllt. Mit dem Ansatz des ganzheitlichen Anforderungsmanagements des Freien Qualitätsmanagements werden alle Anforderungen vollständig gesammelt, systematisch bewertet und konsequent verfolgt.
1. Sammeln Sie die Anforderungen aller Interessierten Parteien
Neben dem Kunden, also dem Empfänger des Produktes, gibt es weitere sogenannte Interessierten Parteien, die an Ihr Unternehmen und an die Produkte Anforderungen stellen. Eine bedeutende Gruppe sind zum Beispiel Behörden oder der Gesetzgeber des Landes, in dem Sie das Produkt einführen wollen. Aus den Medien sind uns die großen Skandale bekannt, bei denen ein Produkt aus dem Markt zurückgerufen werden musste oder betroffene Endkunden entschädigt werden mussten. In vielen dieser Fälle gingen die Unternehmen bewusst das Risiko ein, bekannte Anforderungen nicht zu erfüllen. In manchen Fällen war den Unternehmen die Anforderung aber nicht bewusst. Erstellen Sie also eine Liste aller interessierten Parteien und sammeln Sie alle bekannten Anforderungen. Fehlen Ihnen zu manchen interessierten Parteien die Anforderungen, so sprechen Sie mit diesen. Dies kann bei einem neuen Großprojekt, welches gewonnen werden soll, einer Ihrer Geldgeber, der Eigentümer oder auch der Betriebsrat sein. Notieren Sie alle diese Anforderungen und lassen Sie sich diese von den Interessierten Parteien schriftlich bestätigen.
Manche Anforderungen liegen einfach als Norm bereits vor. Beachten Sie hierbei, ob Sie eine aktuelle Fassung der Norm zur Verfügung haben und ob sich die Norm im Laufe des Projektes noch ändern könnte. In jedem Fall erfordert das Anforderungsmanagement viel Zeit der Recherche. Sollten Sie dafür keine internen Mitarbeiter zur Verfügung stellen, so können Sie auch externe Berater hinzuziehen.

2. Gruppieren Sie die Anforderungen
Fassen Sie alle Anforderungen möglichst in einer Datenbank zusammen. Dies kann eine einfache Tabelle sein oder eine spezielle Software für das Anforderungsmanagement. Jede Anforderung sollte dabei ein Datenbankeintrag, also zum Beispiel ein Feld einer Tabelle sein. Ergänzen Sie in weiteren Spalten von welcher interessierten Partei die Anforderung stammt und das Datum, als die Anforderung an sie herangetragen wurde. Wird eine Anforderung von mehreren genannt, so führen Sie diese mehrfach separat auf. Künftig können Sie so in dieser Tabelle schnell filtern, welcher Partner welche Anforderung hat und Sie können sich so schnell einen Überblick für ein mögliches Gespräch verschaffen.
Für einen noch besseren Überblick sollten Sie die Anforderungen noch gruppieren, worauf sich diese bezieht. Mögliche Rubriken könnten sein Ihr gesamtes Unternehmen, ein spezielles Produkt, ein spezieller Kunde oder ein Bestimmungsland.
3. Priorisieren Sie die Anforderungen
Eine Erfahrung aus dem Projektmanagement ist, dass nicht alle Anforderungen vollständig zu erfüllen sind. Manche Anforderungen sind dem Kunden gar nicht so wichtig und er erwähnt sie nur beiläufig zu Beginn der Verhandlungen. Andere wiederum sind so wichtig und essentiell, dass sie manchmal als bekannt vorausgesetzt werden und gar nicht mehr genannt werden. So müssen Sie die Anforderungen irgendwie nach der Priorität, also der Bedeutung für den Anforderungssteller, bewerten. Das KANO Modell sei hier beispielhaft genannt. Dieses unterteilt Anforderungen in Grundanforderungen (muss), Leistungsanforderungen (sollte) und Begeisterungsfaktoren (kann). Ergänzen Sie Ihre Tabelle mit dieser Priorisierung. Auf Basis dieser Priorisierung können Sie vorab schon mal einschätzen, welche Gestaltungspielräume Sie bei der Entwicklung des Produktes haben. Überwiegen die Grundanforderungen mehr als zwei Drittel, so haben Sie nur wenig Spielräume. Produkte mit vielen Begeisterungsfaktoren bedürfen dagegen einen intensiven Austausch mit dem Kunden. Gerne dürfen Sie Ihre Liste an Anforderungen mit weiteren Begeisterungsfaktoren ergänzen und so das Marketing ihres Produktes verbessern.

4. Diskutieren Sie die Anforderungen
Nun kommen wir zum wichtigsten Schritt des Anforderungsmanagement. Bei der Bewertung jeder Anforderung müssen Sie zusammen mit dem Partner entscheiden, ob Sie diese Anforderungen so akzeptieren können, ob die Anforderung geändert werden soll oder ob eine Anforderung gar abgelehnt werden soll.
Grundsätzlich bleiben Ihnen bei Behörden und Gesetzesgeber kaum Verhandlungsspielräume, da es sich bei den meisten Anforderungen um Grundanforderungen aus Gesetzestextes, Richtlinien oder Vorschriften handelt, die nur schwer geändert werden können. Entweder Sie akzeptieren alle diese Anforderungen oder Sie sollten das Projekt gar nicht erst starten, sofern Sie nicht einen guten Anwalt kennen 🙂
Grundanforderungen von Kunden lassen sich leichter wegdiskutieren, denn prinzipiell macht jede Anforderung das Produkt möglicherweise teurer. In jedem Fall sollten Sie neue kundenspezifische Werksnormen möglichst abweisen und versuchen auf internationale harmonisierte Normen zu verweisen. Sollte der Kunde hartnäckig bleiben, so bitten Sie um mehr Zeit zur Recherche der Werksnorm und kalkulieren Sie die Entwicklungskosten gleich ein wenig höher. In jedem Fall sollte Ihnen der Kunde die Werksnorm kostenfrei zur Verfügung stellen.
Umspätere Missverständnisse zu vermeiden, sollte jede Anforderungen messbar formuliert sein. Formulierung wie zum Beispiel, „das Produkt soll fehlerfrei sein.“ sind zu generell formuliert. Stattdessen sollte eine maximal akzeptierte Fehlerrate über die Lebenszeit des Produktes definiert werden.
Anforderungen, die über die eigentlichen Schnittstellen zu Ihrem Kunden reichen, sollten Sie grundsätzlich ablehnen. Wie Sie das Produkt realisieren, wie Sie ihre Mitarbeiter einsetzten oder welche Methodiken Sie einsetzen, braucht ein Kunde nicht zu definieren. Letztlich liefern Sie dem Kunden ein Produkt samt Dokumentation. Nur über die Gestaltung dieser sollten Sie mit ihm reden.
Bei der Entscheidung jeder Anforderungen sollten Sie im Zweifel intern die Anforderung zunächst zurücklegen. Später können Sie die zurückgelegten Anforderungen überfliegen und sich für jede fragen, was passieren muss, damit Sie diese akzeptieren können. Brauchen Sie mehr Geld, mehr Zeit, mehr Mitarbeiter, spezielles Knowhow oder eine spezielle Genehmigung einer Behörde? Über alles lässt sich mit Ihren Partnern reden und Ihren Partnern fällt es leichter, Ihnen entgegenzukommen, wenn Sie ihre Wünsche besser verstehen.
5. Verknüpfen Sie Ihre Anforderungen
Abschließend müssen Sie sicherstellen, dass die vereinbarten Anforderungen auch sicher in Ihren Entwicklungsprozess einfließen. Schnüren Sie mit Hilfe der obigen Gruppierung sinnvolle Pakete von Anforderungen, die Sie einer verantwortlichen Abteilung oder Person übertragen können. Im nächsten Schritt sollen diese Verantwortlichen entsprechende Konzepte und Maßnahmen definieren, mit denen die Anforderungen ganzheitlich erfüllt werden können. Dokumentieren können Sie dies zum Beispiel in einer FMEA Software. Das Ergebnis des Anforderungsmanagements ist somit ein ganzheitliches Produktkonzept. Denn das Ziel dieser Verknüpfungen ist, dass final jede Maßnahme in Ihrem Unternehmen auf eine Anforderung zurückgeführt werden kann. Sind zum Projektende manche Maßnahmen nicht abgeschlossen, können Sie so schnell beurteilen, welche Anforderungen dann nicht erfüllt werden. Genau dazu können Sie mit dem Kunden über eine Abweichgenehmigung reden.
6. Änderung von Anforderungen
Jede Änderung von Anforderungen während eines Projektes kann Zeit, Geld und Nerven kosten. Vereinbaren Sie also frühzeitig mit Ihren Partnern, wie mit Änderungen umgegangen werden soll. Eine Änderung kann den Verlauf des Projekts verzögern. Sie können vorab vereinbaren, dass zum Beispiel Verzögerungen in Summe größer als ein Jahr von Ihnen nicht mehr getragen werden. Alternativ kann ein Projekt durch weitere Personalressourcen beschleunigt werden, indem mehr Aufgaben parallelisiert werden. Vereinbaren Sie, wie diese Personalmehrkosten dem Kunden in Rechnung gestellt werden. Bei Änderungen von Grundanforderungen sollte man besonders vorsichtig sein und den Änderungswunsch besser zurückweisen. Im Extremfall kann es sogar sein, dass ein Kunde die Anforderungen derart falsch oder unvollständig formuliert hat, dass ein Projekt abgebrochen werden sollte.
7. Wachsen Sie mit den Anforderungen
Auf wenn in den vorhergehenden Abschnitten viel zur Vorsicht geraten wurde, soll abschließend klar hervorgehoben werden, dass Ihr Produkt um so attraktiver wird, je mehr Anforderungen es erfüllt. Wenn Ihr Kunde neue Anforderungen nennt, so sehen Sie dies nicht als Hürde, sondern als Chance, Ihre Kunden erneut zu begeistern. Anforderungen, die zunächst als kaum erfüllbar angesehen werden, sind letztlich ein Motor für Innovation, um Ihre Marktposition zu verbessern. Und erfüllen Sie schließlich nach erfolgreicher Produktentwicklung diese neuen Anforderungen des Kunden, so können Sie mit Ihrem verbesserten Produkt auch neue Kunden erreichen. Nehmen Sie darum den Kunden und seine Wünsche ernst.
Mein Angebot
- Formulierung von Lastenheften
- Prüfung von Lastenheften
- Moderation von Anforderungsanalysen nach den KANO-Modell
- Moderation von Anforderungsanalysen mittels FMEA
- Bewertung und Priorisierung von Anforderungen mittels SCOPING