Unternehmerischer Erfolg bedeutet auch immer, ein gewisses Risiko einzugehen. Im Qualitätsmanagement bedeutet dies konkret, dass trotz kostenintensiver Maßnahmen in vielen Fällen eine kleine Wahrscheinlichkeit übrig bleibt, dass ein Fehler bei der Entwicklung oder Herstellung eines Produktes passiert und dieser unentdeckt zum Kunden gelangt. Diese Wahrscheinlichkeit ist aber nicht nur ein „Bauchgefühl“, sondern lässt sich immer auch mit einfachen statistischen Verfahren zur Fähigkeitsanalyse bestimmen. So lässt sich in machen Fällen auch begründen, dass manche teuren Maßnahmen gar nicht notwendig sind. So spart die Fähigkeitsanalyse am Ende Zeit und Geld.
- Durchführung von Analysen zur Prüfmittelfähigkeit (MSA)
- Durchführung von Analysen zur Prozessfähigkeit
- Durchführung von Analysen zu Maschinenfähigkeit
- Durchführung von Analysen zur Mitarbeiter:innenfähigkeit
- Durchführung von Analysen zur Zuverlässigkeit
- Kostenlose MS Excel Vorlagen für Fähigkeitsanalysen
Prüfmittelfähigkeit
Die Basis jeder Fähigkeitsanalyse ist der Nachweis, dass man den Ergebnissen eines Prüf- oder Messmittel auch vertrauen kann. Unter einem Prüfprozess versteht man ein Gerät oder Prozess, der attributive über gut oder schlecht eines Teils entscheidet. Dies könnte eine Sichtkontrolle, Kameraprüfung, Lehrenprüfung u.v.m. sein. Sobald man konkrete Messwerte (einer physikalischen Einheit) aufnimmt spricht man von einem Messmittel. Im Gegensatz zur Prüfung fragt man sich bei einer Messung nicht nur, ob der Messwert innerhalb oder außerhalb der Spezifikation liegt, sondern auch wie nah der Messwert an die Spezifikation heranreicht.
Durch wiederholte Messung desselben Produktmerkmals oder Prozessmerkmals im Vergleich zu einem bekannten Referenzteil, lässt die Wahrscheinlichkeit von Fehlmessungen des Prüf- oder Messprozesses bestimmen. Dabei unterscheidet man verschiedene Arten der Messmittelfähigkeitsanalyse (Measurement System Analysis).
MSA Verfahren 1 bestimmt die systematische Abweichung (konstante Verschiebung des Messwertes zur Referenz) und die zufällige Abweichung durch Streuung der Messwerte. Daraus bestimmt man die Wiederholgenauigkeit. Dabei reicht es aus ein und das selbe Teil 50 Mal mit demselben Messmittel zu messen.
MSA Verfahren 2 (Gauge R&R) betrachtet ergänzend noch die Reproduzierbarkeit eines Messprozesses unter Einfluss des Menschen. Den jede Person hält z.B. einen Messchieber etwas anders beim Messen eines Frästeils, was zu anderen systematischen und zufälligen Abweichungen führt.
MSA Verfahren 3 ermittelt, wie gut ein automatisierter Prüf- oder Messprozess ohne Bedienereinfluss ein gutes von einem schlechten Teil unterscheiden kann.
MSA Verfahren 4 berücksichtigt die Linearität eines Messmittels über den gesamten Messbereich, was häufig bei der Kalibrierung des Messmittels schon berücksichtigt wird. Denn kleine Messwerte zeigen häufig andere Abweichungen als große Messwerte.
MSA Verfahren 7 vergleicht unterschiedliche Prüfer einer Sichtkontrolle miteinander und berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass ein Prüfer ein Fehler erkennt, übersieht oder falsch zuordnet. Dieses Verfahren könnte man auch zum Eignungsnachweis für Mitarbeiter einsetzten, sofern Arbeitnehmerrechte ausreichend respektiert werden.
Mit Hilfe der so ermittelten Wahrscheinlichkeiten können die Bewertungen von Entdeckungswahrscheinlichkeiten in Risikoanalysen (z.B. FMEA) sachlich begründet werden. Und selbst wenn die Fähigkeit eines Prüf- oder Messmittels nicht ganz die Erwartungen von VDA und AIAG Standards erfüllen kann man in Kombination mit der Wahrscheinlichkeit des Auftretens des zu entdeckenden Fehlers entscheiden, einen Fertigungsprozess temporär weiter laufen zu lassen.
Prozessfähigkeit
Jeder Fertigungsprozess unterliegt immer gewissen systematischen Abweichungen und zufälligen Schwankungen durch äußere Einflüsse, die nur mit großem Aufwand abzustellen wären. Um diesen Aufwand zu vermeiden, lohnt es sich eine Prozessfähigkeitsanalyse durchzuführen. Dazu wird ein Prozess- oder Produktmerkmal an mehreren Durchläufen oder Teilen hintereinander gemessen. Ein Prozessmerkmal ist eines während des Prozesses gemessenes Merkmal, so zum Beispiel die überwachte Energie eines Schweißprozesses. Ein Produktmerkmal wird nach dem Fertigungsschritt am konkreten Produkt gemessen. Dies könnte z.B. die Festigkeit einer Schweißverbindung im Zugtest sein. Aus der Lage des Mittelwertes und der Streuung der Ergebnisse zur Spezifikation lässt sich so die theoretische Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass der Prozess mit einem Wert außerhalb der Spezifikation liegt. Die Prozessfähigkeit gibt somit einen direkten Hinweis auf die Auftretenswahrscheinlichkeit von Fehler, die unter anderem in der FMEA dokumentiert wird.
Man unterscheidet bei den Prozessfähigkeiten zwischen der Kurzzeitfähigkeit, der vorläufigen Fähigkeit und der Langzeitfähigkeit. Dabei betrachtet man zunehmend mehr Messwerte, Störfaktoren und äußere Einflüsse.
Maschinenfähigkeit
Viele glauben, die Maschinenfähigkeit sei das gleiche wie die Kurzzeit Prozessfähigkeit. Auch wenn die statistische Methodik zur Bestimmung der Maschinenfähigkeit dieselbe ist wie bei der Kurzzeitprozessfähigkeit, unterscheiden sich diese grundlegend voneinander. Denn bei der Maschinenfähigkeit werden keine Prozess- oder Produktmerkmale gemessen sondern Maschinenmerkmale. Maschinenmerkmale sind messbare Einstellungen oder Eigenschaften einer Maschine. Dies kann zum Beispiel die Positioniergenauigkeit eines Fräskopfes oder Roboterarms sein, die bei Abweichungen die Fertigungspräzision der Teile (Produktmerkmal) negativ beeinflusst. Man sollte gleich zur Maschinenabnahme die Maschinenfähigkeit der relevanten Merkmale bestimmen. Durch regelmäßige Wiederholung (z.B. jährlich) kann man so auch Einflüsse von Maschinenverschleiß rechtzeitig erkennen und schwere Anlagenstörungen vermeiden.
Mitarbeiter:innenfähigkeit
Trotz zunehmender Digitalisierung und Automatisierung lässt sich der „Faktor Mensch“ nicht immer ganz ausschließen. Die Fähigkeit der Menschen hat somit entscheidenden Einfluss auf die Qualität. Viele beschränken sich bei der Beurteilung der Fähigkeiten von Mitarbeiter:innen auf das Bauchgefühl einer Führungskraft oder auf das Ergebnis eines Wissenstests. Tatsächlich lassen sich viele Menschen bezogene Merkmale direkt messen und ebenso statistisch auswerten wie Prozess-, Produkt oder Maschinenmerkmale. Die Wahrscheinlichkeit von Abweichungen einer Person oder einer Gruppe ist somit abschätzbar. In Deutschland und anderen Ländern müssen dazu aber Arbeitnehmerrechte zum Datenschutz respektiert werden (§ 32 Abs. 1 BDSG). Zudem kann der Personal- oder Betriebsrat vor Aufnahme der personenbezogenen Messwerte mitbestimmungspflichtig sein (§ 87 Abs. 1 BetrVG). Wie man die Merkmale dennoch aufnehmen kann, ohne mit Mitarbeiter:innen, Betriebsrat oder Behörden in Konflikt zu kommen, erfahren Sie in meiner Beratung zum ganzheitlichen Qualitätsmanagement.
Zuverlässigkeit
Die Zuverlässigkeit ist eine spezielle Fähigkeit eines Produktes. Hier bestimmt man die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt über die geforderte Lebensdauer eine oder mehrere Anforderungen erfüllt. In Grenzmusterversuchen oder mittels statistischer Versuchsplanung (DoE) können Prozess- und Produktmerkmale mit den Zuverlässigkeitsanforderungen korreliert werden. So kann nicht nur eine messbare Aussage über die Zuverlässigkeit getroffen werden, sondern gleichzeitig die Parameter zu ausreichenden Zuverlässigkeit bei geringen Aufwand optimiert werden. Für diese komplexen Analysen fragen Sie mich als „Six Sigma Blackbelt“ und „Automotive Core Tools Expert“ an.
Ganzheitliche Fähigkeitsanalyse
Das Konzept des „Freien Qualitätsmanagement“ möchte nicht nur einfach die hohen Anforderungen an die Qualität sicherstellen, sondern gleichzeitig Möglichkeiten anbieten, dies mit möglichst wenig Aufwand zu realisieren. Dazu gehören nicht nur praktische Microsoft Excel Vorlagen zur Berechnung der verschiedenen Fähigkeiten, sondern auch neue Ansätze zur Optimierung der Analysen. So lässt sich beispielsweise das Ergebnis einer Prozessfähigkeit oder Maschinenfähigkeit nachträglich verbessern, indem man beispielsweise den Einfluss des Prüfmittels nachträglich herausrechnet.